Kannst du Stroh zu Gold spinnen?
Stroh!
Das sind die trockenen und ausgedroschenen Halme und Blätter einer Getreidepflanze nach der Ernte.
Das Leben einer Getreidepflanze beginnt mit der Aussaat.
Über den Winter bricht das Saatkorn in der Erde auf und treibt aus.
Im März sehen wir den ersten Aufwuchs. In dieser Phase bildet die Pflanze viele Seitentriebe – aus einem Saatkorn.
Ab Ende März, wenn die Tage länger werden wie die Nacht, beginnt die Pflanze in die Höhe zu wachsen. Sie wächst der Wärme, dem Licht entgegen.
Im Juni blüht sie und beendet das Wachstum. Von diesem Zeitpunkt an geht all ihre Kraft ins Korn.
Im Laufe des Julis wird die Pflanze gelb. Sie stirbt – und es ist Zeit für die Ernte.
Eine Verwandlung ist geschehen.
Dafür brauchte es Säen und Aufbrechen.
Ohne Säen und Aufbrechen des Saatkorns gibt es kein Wachstum. Der Keim wächst dabei nie nach unten, nie nach links oder rechts. Er wächst immer nach oben - immer der Wärme, dem Licht entgegen.
Er wächst immer zu dem heran, was er ist! Aus einem Weizenkorn wächst immer ein Weizen.
Und es brauchte das Blühen und Sterben, um ernten zu können. Die Pflanze muss sterben, um alle ihre Kraft ins Korn zu geben. Um das *Gold* zu entwickeln.
Erst im Sterben wächst das Gold. Ohne Sterben kein Gold.
Auch wir wurden gesät.
Das Leben hat all sein Können aufgeboten, um uns dort einzupflanzen, wo wir uns am besten entwickeln und entfalten können.
Es hat uns mit allem ausgestattet, was wir für unser Leben brauchen.
Wir wachsen auf und entwickeln viele verschiedene Lebenstriebe. Doch wir beginnen uns zu verkleiden.
Als Erwachsene tragen wir viele verschiedene Lebens*Kleider. Diese Kleider sind nicht aus Wolle, Samt und Seide. Sie sind aus den Stoffen, die das Leben webt und wirkt.
Vorgelebte Lebens*Modelle werden dabei schon einmal zu Zwangsjacken, Rollen und die Erwartungen anderer zu Korsetts.
Wir wundern uns, wenn wir nie richtig zur Blüte und Ernte kommen. Denn unsere volle Kraft geht nicht ins Korn. Unsere volle Kraft geht in Aushalten und Durchhalten, in Verbiegen und Funktionieren.
Was lässt uns aufbrechen? Was lässt uns dem Gold entgegenwachsen?
Es ist die Frage: Wo zieht es mich hin? Wo wird es licht?
Und es ist die bewusste Entscheidung, loszulassen - und alle Kraft in die Antwort zu geben. Ins Korn. Ins Gold.
Auch ich bin diesen Weg gegangen. Nicht nur einmal. Mehrmals.
Ich bin gestorben, bin aufgebrochen. Bin wieder gestorben, bin wieder aufgebrochen. Mal zu früh, mal zu spät, mal zu viel, mal zu wenig. Mal war ich feige und bin gar nicht aufgebrochen.
Doch ich bin immer wieder in die Verwandlung gegangen und habe die fremden und ausgedienten Lebens*Kleider abgelegt. Eins nach dem anderen.
Genau deshalb schreibe ich heute diese Zeilen an dich.
Auch du kannst Stroh zu Gold spinnen.
Das Gold liegt in dir.
Es wartet nur darauf, von dir gesponnen zu werden.
Doch bedenke: Erst im Sterben, spinnt sich Stroh zu Gold.